Rund jeder Zweite, der Neujahrsvorsätze fasst, hält diese länger als ein Vierteljahr durch. So hat das jedenfalls die DAK jüngst ermittelt. Klingt ermutigend. Leider ist man nach drei Monaten nicht safe: Psychologen gehen davon aus, dass nur acht Prozent der Leute ihr Ziel am Ende des Jahres erreichen.
Hässlich wenig also. Ist der Optimismus, den wir in unsere Neujahrsvorsätze stecken am Ende Selbsttäuschung? Sollten wir alle uns mit dem Stress, der uns nervt, einfach abfinden? Oder gar nicht erst versuchen, drei Kilo von den Hüften zu bekommen? Einfach aufgeben und von uns selbst nichts erwarten? Was für ein deprimierender Gedanke. Viel schlimmer als diese blöden acht Prozent.
Analyse der Neujahrsvorsätze macht stark
Seitdem ich diese Zahl kenne, lebe ich im Widerstand gegen sie. Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger von Neujahrsvorsätzen. Dafür habe ich mir die Psychologie und die Neurobiologie auf meine Seite geholt und jetzt klappen meine Vorsätze immer! Manchmal nicht beim ersten Versuch, aber irgendwann doch. Ein Beispiel ist mein Jahr mit Konsumverzicht, in dem ich 365 Tage keine Kleidung, keine Schuhe und keine Accessoires gekauft habe.
Was ich nicht auf Anhieb schaffe, bleibt auf meiner Liste. Ich renne immer wieder an, bis es gelingt. Natürlich renne ich – und das ist der wichtigste psychologische Trick – jedes Mal von einer anderen Seite: Ich analysiere was schief gelaufen ist und stelle mich entsprechend neu auf.
Diese kleinen Kämpfe mit mir selbst sind inzwischen für mich das Beste am ganzen Vorsatz. Denn erstens lernt man dabei viel darüber, wie man selber tickt und wie bestimmte psychologische Strategien funktionieren. Zweitens ist es beglückend und entspannend wie wenig anderes, wenn man den Kampf gewonnen hat. Miese acht Prozent Erfolg? Nicht mit mir!
Ich gebe zu: Am Anfang hatte ich Glück. Mein erster guter Vorsatz, gefasst direkt nach dem Studium, klappte ohne Vorbereitung und ohne psychologische Taktik. Ich hatte mir geschworen, drei Jahre lang keine Tütensuppen, Tütensoßen und einige andere Extrem-Kunstprodukte der Lebensmittelindustrie zu mir zu nehmen (essen möchte ich es nicht nennen). Eine einzige Ausnahme lies ich zu: Brühwürfel. Ich habe nicht nur drei Jahre lang ohne jede Sehnsucht auf Tütenkram gelebt, ich tue es bis heute.
Wirklich gute Neujahrsvorsätze sind realistisch
Inzwischen weiß ich, warum das so gut funktioniert hat: Erstens war mein Vorsatz realistisch und der Erfolg überprüfbar – ein Aspekt, den man nicht unterschätzen darf.
Zweitens war meine Motivation zur Veränderung in diesem speziellen Fall extrem hoch. Ich war fast körperlich angeekelt von diesen winzigen, undefinierten und übelriechenden Häufchen, die aus der Tüte plumpsen und im Wasser binnen Sekunden Volumen, Geruch sowie Farbe verändern – und dann vorgeben, auf echten Lebensmitteln zu beruhen.
Drittens überwog der Gewinn, den ich mir durch das Weglassen versprach, den Verlust bei weitem. Auf der Haben-Seite standen: besserer Geschmack, besseres Aussehen, abwechslungsreichere Speisen, Spaß am Kochen und das stolze Gefühl, mich besser zu ernähren. Hingeben musste ich dafür täglich etwas mehr Zeit für die Zubereitung. Ich musste mehr planen und etwas schwerere Einkaufstaschen tragen. Das war einfach – zumindest für mich.
Ich konnte es so gut durchhalten, weil die erste positive Wirkung sofort eintrat: der enorm viel feinere Geschmack. Er wurde umgehend das Wichtigste an diesem Projekt und ist es bis heute geblieben. Der Gesundheitsaspekt wurde mir ganz schnell egal.
Warum wir schlechte Gewohnheiten lieben
Psychologen sagen, dass Verhaltensweisen, die wir jahrelang gepflegt haben, unter anderem deshalb so hartnäckig an uns kleben, weil sie uns einen Gewinn bringen – und zwar selbst dann, wenn wir unter unseren eigenen Handlungen schon lange leiden. Wir hassen uns zum Beispiel dafür, nach einem stressigen Tag Süßigkeiten in uns hineinzustopfen. Aber irgendwie lindert der Kuchen für ein paar Minuten den Weltschmerz. Und in Wahrheit leistet das Reinschaufeln und das Jammern darüber noch mehr: Es erspart es uns, darüber nachzudenken, warum wir eigentlich soviel Stress haben. „Irgendetwas scheint an unserem eigenen Unglück so unverzichtbar zu sein, dass man sich einfach nicht davon lösen kann“, sagte dazu der Pädagoge Rolf Arnold in Psychologie heute.
Ein häufiger Grund, warum Neujahrsvorsätze scheitern, sehen Psychologen darin, dass wir uns die tieferen Zusammenhänge nicht bewusst machen. Wir ignorieren, dass wir selbst nicht wie aus dem Wünschebuch vorbildlichen Verhaltens funktionieren, sondern getrieben sind von widersprüchlichen Gefühlen, widerstreitdenden Einstellungen und manchen Erfahrungen, die uns nicht klüger gemacht haben sondern ratlos.
Im Alltag ist es oft unnötig, manchmal sogar hinderlich, sich selbst zu hinterfragen. Will ein Vorsatz, der einem am Herzen liegt, aber partout nicht gelingen, kann es hilfreich sein, die inneren Hemmnisse aufzuspüren. Fragen wie diese halten Psychologen dafür für nützlich: Was wäre das Schlimmste, was mir passieren kann, wenn ich… (weniger Alkohol trinke; nicht mehr rauche; dreimal die Woche Joggen gehe …)? Was würden andere (meine Freunde, meine Kollegen, meine Nachbarn) vermutlich über mich denken? Was würde ich selbst über mich denken?
Dem Gehirn die Chance zum Umlernen geben
Aber Vorsicht: Die Suche nach Motiven und Widerständen darf nicht zu lange dauern, sonst mutiert sie zur Ausrede. Nach dem Motto: „Ach nö, es ist sinnlos eine Diät zu beginnen, solange ich nicht sicher bin, wovor mich meine Pfunde eigentlich panzern.“ Die Empfehlung der Psychologie lautet: Versuch es lieber mit Try and Error, als nichts zu ändern. Oder wie Albert Einstein sagte: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Nur wenn wir etwas Neues ausprobieren, lernt unser Gehirn – was nichts anderes heißt, als dass sich die neuronalen Verknüpfungen verändern: Sie werden neu gebahnt. Was wir gewohnt sind und häufig tun, verläuft dagegen im Kopf auf lange eingeübten, und daher über Synapsen gut verknüpften, Pfaden. In unser Bewusstsein dringen solche schematisierten Abläufe nur selten. Zum Beispiel, wenn wir im Schrank ins Fach für die Teller greifen und plötzlich eine Tasse in der Hand halten, weil wir erst gestern alles umgeräumt haben.
Wer gute Vorsätze durchhalten möchte, muss seinem Gehirn also die Chance geben, umzulernen. Und dafür muss er erst einmal anfangen.
Niemand scheitert wirklich
Das Durchhalten ist dann der nächste Schritt. Fünf von Psychologen empfohlene und von uns besonders geschätzte Tipps dafür hat Nadja in ihrem Beitrag „gute Vorsätze umsetzen“ schon aufgeschrieben. Und wenn es doch schief geht? Ich halte mich an eine Strategie, die mir die Münchner Psychologin Cornelia Gloger einmal in einem Interview nahe gebracht hat: „Scheitern ist ein Wort, das man nicht gebrauchen sollte. Scheitern hat etwas Endgültiges. Aber nur Weniges im Leben ist endgültig. Es gibt fast immer eine Möglichkeit, etwas zu verändern.“
Das erleichtert es natürlich nicht sofort, sich wieder aufzuraffen wenn Neujahrsvorsätze gerade auf halber Strecke stecken geblieben sind. Aber grundsätzlich ist so ein gechillter Ansatz sehr entlastend. Wie gesagt, meine Vorsätze klappen damit alle früher oder später.
Wie ergeht es Euch mit Euren Neujahrsvorsätzen? Tauscht Euch mit uns aus – auf Twitter und Facebook, getreu nach dem Vorsatz-Tipp: „Rede darüber“. Dann gibt es keine Rückzieher mehr.
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