Ausdauertraining: Tipps direkt aus der Sportwissenschaft

Das Thema Ausdauertraining begleitet mich seit gut einem Jahr, seit ich mit dem Joggen angefangen habe. Je mehr ich laufe, desto mehr interessiere ich mich dafür, das Training zu professionalisieren. Dabei beschäftigen mich mehrere Fragen: Wie baut man ein Ausdauertraining von den kleinsten Anfängen an systematisch auf? Woran bemisst man Erfolg? Welche Fehler gilt es zu vermeiden?

All das habe ich mir von einem Experten erklären lassen, von Christian Manunzio vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Sporthochschule Köln. Mein neues Wissen über die Grundlagen des Ausdauertrainings gebe ich natürlich sofort an euch weiter. Hoffend, dass es euch ein paar Fehler und Enttäuschungen erspart.

Ausdauertraining für Anfänger: Darauf kommt es an

Überlastung gleich in den ersten Trainingseinheiten gilt als das Grundübel im Freizeitsport. Experten schätzen, dass hierzulande 85 Prozent der Leute zu ambitioniert mit einem Ausdauersport beginnen. Das Problem dabei: Ein untrainierter Leib trägt schneller eine Verletzung davon, als ein gut vorbereiteter. Ein Sporteinsteiger sollte sich daher auf keinen Fall an einem Profisportler orientieren. Davon würde ihm sogar weiterer Ungemach drohen, denn zu hohe Erwartungen werden zwangsläufig enttäuscht. Die Folge ist dann, dass man einen Sport anfängt und nach wenigen Wochen entnervt aufgibt.

„Bei Untrainierten sind die Muskeln oft schon nach 15 Minuten müde.“ Trainingswissenschaftler Christian Manunzio von der Sporthochschule Köln, selbst Radsportler und Triathlet

Mir selbst ist es beim Joggen lernen nicht anders ergangen. Erst als ich akzeptiert hatte, dass ich anfangs mehr gehen als laufen muss, kam mein Training voran.

„Bei einem untrainierten Menschen sind die Muskeln oft schon nach 15 Minuten müde“, erklärt Trainingsexperte Manunzio. „Dann schafft man es nicht mehr, in sauberer Technik weiterzumachen und das Verletzungsrisiko steigt.“

Unter den gängigen Ausdauersportarten Joggen, Walking, Wandern, Radfahren, Inlineskaten und Schwimmen gilt das insbesondere fürs Laufen. Der Grund:  Hier wirkt die höchste Gewichtsbelastung auf den Körper. Joggen ist also am effektivsten, aber eben auch am kritischsten. Deshalb gelten alle weiteren Aussagen zuerst für Jogger.  Dann aber auch für alle anderen Hobby-Ausdauersportler, die damit auf der sicheren Seite sind.

Grundlagenausdauer schaffen: Realistische Ziele setzen

Damit ein Anfänger Aussicht auf dauerhaften Erfolg hat, muss er sich zuerst eine solide Grundlagenausdauer erarbeiten. Grundlagenausdauer ist die Fähigkeit, eine längere Strecke im aeroben Bereich zu laufen und sich nach außergewöhnlichen Belastungen schnell zu erholen. Manunzios Tipp: „Realistisch bleiben. Niemand kann von Anfang an wie ein Windhund laufen.“ Das erste Ziel könnte lauten, dreimal in der Woche eine halbe Stunde Joggen am Stück durchzuhalten. „Wer vorher lange keinen Sport gemacht hat, sollte sich drei Monate Zeit geben, dieses Leistungsniveau zu erreichen,“ sagt Manunzio. Denn im Laufe eines Trainingsaufbaus erlebt jeder Stockungen oder Rückschläge. Da ist es gut, solche Phasen in der Zielsetzung schon berücksichtigt zu haben. Ich kann das nur bestätigen. Mehr dazu in meinem persönlichen Erfahrungsbericht „Joggen länger durchhalten„.

Die entscheidende Einsicht ist aber die: Durchhalten zu lernen ist am Anfang wichtiger, als das Grundtempo zu steigern!

Also fängt man einfach mal mit einem Training von 30 Minuten an, bei dem man abwechselnd eine Minute läuft und eine Minute geht. Dabei gilt es, die Signale des Körpers zu deuten: Wenn man schon nach einer halben Minute Laufen schnauft wie ein Walross, rennt man definitiv zu schnell.  Damit läuft man Gefahr, sich zu schnell zu überlasten.

Grundlagenausdauer optimieren: Langsamer geht’s schneller

So seltsam es klingt: Grundlagenausdauer schafft man vor allem, indem man langsam läuft. Das haben Studien inzwischen gut belegt. Intensives Intervalltraining kann die Grundlagenausdauer ebenfalls verbessern, ist für den Anfänger aber ganz zu Beginn eine unsichere Methode, da die Überlastungs- und Verletzungsgefahr deutlich größer ist.

Aerob ist der Standardmodus für den menschlichen Stoffwechsel. Dabei gewinnt er die Energie, die er zum Beispiel beim Laufen für die Muskeln benötigt, aus der Aufspaltung von Fetten und Kohlenhydraten mit Hilfe von Sauerstoff. Steigt die Belastung, weil die Muskeln beim schnellen Laufen in kurzer Zeit deutlich mehr Energie verbrauchen, schaltet der Körper auf den anaeroben Stoffwechsel: eine Art Notprogramm, bei dem er es ohne Sauerstoff schafft, einen höheren Energiedurchsatz aufrecht zu halten. Der Preis ist rasche Ermüdung, weil sich im Muskel vermehrt Laktat und andere Stoffwechsel-Zwischenprodukte wie Ammoniak anhäufen.

Aeroben Trainingsbereich über Puste und Puls erkennen

Wann der Stoffwechsel kippt, ist individuell verschieden und hängt unter anderem davon ab, wie gut man bereits in Form ist. Für Freizeitsportler hat sich die Abschätzung über die Puste bewährt: Solange man sich beim Laufen unterhalten kann, trainiert man im aeroben Bereich.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, seinen Puls im Blick zu haben. Bei 55 bis 70 Prozent des Maximalpulses ist man in der Regel gut unterwegs, um seine Grundlagenausdauer zu trainieren. Das Problem ist allerdings die Bestimmung des Maximalpulses. Die Formel „220 minus Lebensalter“ gilt als überholt. Zum Glück gibt es Seiten die einem durch den Maximalpuls-Dschungel helfen. Im Zweifel: Lieber etwas gemächlicher als zu schnell. Auch bei einem Puls von 120 können Ausdauersport-Anfänger Trainingseffekte erzielen. Immer dran denken: Ihr habt 3 Monate Zeit, um 30 Minuten durchzuhalten. Es besteht kein Grund zur Eile, dafür wird das Ergebnis um so besser.

Jeden Tag Ausdauertraining? Welche Häufigkeit ist sinnvoll?

Sportprofis trainieren jeden Tag. Das ist aber aber kein Maßstab für Freizeitsportler, erklärt der Kölner Trainingswissenschaftler Manunzio. „Für Einsteiger im Ausdauertraining gilt, dreimal die Woche 30 Minuten ist besser, als nur einmal in der Woche sehr lange zu trainieren.“ Der Grund ist die eben erklärte Grundausdauer. Für richtig fitte Menschen sieht der Experte bei der Trainingshäufigkeit kaum ein Limit: „Urmenschen haben täglich 20 bis 40 Kilometer zurückgelegt.“ Allerdings sollten sich sehr ambitionierte Sportler dann öfter mal mit einem Trainer und einem Arzt zusammensetzen. Auf einem professionellem Leistungsniveau ist Ausdauersport nicht mehr nur ein Segen für die Gesundheit, sondern eine Strapaze für den Leib. Diese gilt es, so gut es geht zu mildern.

Für Sporteinsteiger hat es darum auch Sinn, ihrem Organismus zwischen zwei identischen Trainingseinheiten 24 Stunden Zeit zu geben, um sich zu regenerieren und an die neuen, höheren Ansprüche anzupassen. Sonst folgt eine Anstrengung so schnell auf nächste, dass die Umbauarbeiten, die im Körper nach dem Sport eine Weile weiterlaufen, bis zur nächsten Einheit noch andauern. Das schmälert die Leistungskurve – und kann der eventuell der Grund sein, wenn man trotz intensiven Trainings einfach keine Fortschritte feststellt.

Wann ist man bereit, für ein intensiveres Ausdauertraining?

So, da absolviert man also an Tag 1 seine Kombi aus Gehen und Laufen – und ist nach einer halben Stunde gut bedient. An Trainingstag 2 fällt das Ganze schon leichter. Soll man dann gleich länger laufen und weniger gehen? „Wenn man sein Training locker durchhält und auch am nächsten Tag nichts davon spürt, kann man den Trainingsreiz erhöhen“, erklärt Manunzio. Wer also taufrisch, ohne Müdigkeit und Muskelkater in den Muskeln und Knochen über den Tag kommt, ist bereit, eine Schippe draufzulegen.

Aus meinen persönlichen Joggingerfahrungen kann ich sagen: Das geht am Anfang ziemlich schnell und den Erfolg zu spüren macht richtig glücklich. Wie durch ein Wunder sind 5 Kilometer Joggen auf einmal keine Herausforderung mehr.

Jeder Hobbysportler, der auf sich hält, fängt spätestens dann an, sich Gedanken über Intervalltrainings zu machen. Sonst würde man ja ewig gleich langsam bleiben und nur einfach immer längere Zeit laufen.

Gleichmäßiges Tempo oder Intervalltraining?

Langsam und einfach nur länger zu laufen: Dagegen spricht nichts – außer der Ehrgeiz. „Sobald man entspannt 30 bis 45 Minuten durchlaufen kann“, erklärt Manunzio, „kann man sich ans Intervalltraining wagen.“ Dabei wechselt man Phasen kurzer, intensiver Belastung mit etwas längeren, lockeren Abschnitten ab. Studien zufolge fördert das die Fähigkeit des Körpers, aerob Energie bereit zu stellen, der Körper wird effektiver. Trainingsprofis unterscheiden extensives Intervalltraining, das die Grundlagenausdauer fördert, von intensivem Intervalltraining, das einen schneller macht. „Für normale Freizeitsportler macht es keinen wesentlichen Unterschied, welche Intervallvariante sie wählen. Alles bringt sie voran“, sagt Manunzio. Strebt man jedoch bestimmte Zeiten in einem Wettkampf an, kann es sich lohnen, seinen Trainingsplan anhand einer sportmedizinischen Untersuchung optimieren zu lassen.

Ich persönlich nehme mir nach Lust und Laune Sprints zwischen Bäumen vor oder spurte winzige Hügelchen hoch und locker wieder runter. Denn für mich als Feierabendjogger gilt folgende Erkenntnis: „Durch Intervalltraining lernt man, nicht automatisch bei jedem Lauf ans Limit zu gehen“, sagt Manunzio. Dieses Gespür für den Körper zu bekommen, für Be- und Entlastung, ist wichtig, wenn man auf Dauer beim Sport bleiben will.

Insgesamt empfiehlt der Trainingsexperte für Menschen wie mich: Einmal in der Woche gleichmäßiges, ruhiges Grundlagentraining, einmal in der Woche Intervall, einmal in der Woche eine Laufeinheit mit Lauf-Abc, um voranzukommen.

Gute Lauftechnik: Schneller und sicherer unterwegs

Nach gut einem Jahr Ausdauertraining spüre ich deutlich, das dieser Ansatz wirkt: Wenn ich mich beim Joggen ganz auf einen guten Laufstil konzentriere, arbeitet mein Körper effektiver. Ich werde automatisch schneller. Das ist natürlich anstrengender, aber inzwischen halte ich ordentliches Laufen eine ganze Weile lang durch. Ich fühle mich insgesamt wohler als zu meinen Schlurf- und Tippelzeiten, als Ankommen alles war. Lucky me, hat das regelmäßige Training offenbar meine Muskeln gestärkt sowie die Koordination zwischen Muskeln und Sehnen verfeinert. Darum hoffe ich, inzwischen vor Verletzungen eher geschützt zu sein, als zu Beginn.

Um dahin zu kommen, sollte regelmäßiges Lauf-Abc, auch Laufschule genannt, Bestandteil eines jeden Ausdauertrainings sein, rät Manunzio. Es hilft, sich eine saubere Lauftechnik anzueignen. Hier können Sportprofis als Vorbild dienen: Einfach mal den Mitschnitt eines Sportevents bei youtube starten, und sich abschauen, wie die Sportler sich bewegen. Noch besser: Ziemlich am Anfang seiner Freizeitläuferkarriere in ein, zwei Trainerstunden investieren. Eine gute Lauftechnik von Anfang an ist über die Jahre hinweg „Gold wert“, sagt Manunzio.

Wiedereinstieg ins Ausdauertraining nach einer Pause

Erinnert ihr euch noch an die Rückschläge, von denen am Anfang dieses Beitrags kurz die Rede war? Sie werden kommen (mehr dazu im Beitrag „Gewohnheiten ändern„). Sei es, dass ihr keine Zeit mehr fürs Ausdauertraining findet. Sei es, dass ihr mal erkältet seit und ein paar Tage nicht laufen könnt und danach ein paar weitere Tage nicht laufen wollt … Was dann? Sollte man versuchen, auf Teufel komm raus an die alte Leistung anzuknüpfen? „Nein“, betont Manunzio. „Nach jeder Sportpause, die länger als eine Woche dauert, sollte man einen Schritt zurück gehen.“ Und zwar – eine weitere basale Erkenntnis – ist es besser, das alte Tempo zu erreichen, aber die Trainingsdauer zu verkürzen.

Über uns Alexandra von Knobloch

Journalistin: Gesundheit, Wissenschaft, Medizin. Dozentin Print/Online. Innovationstrainerin mit Design Thinking. Schreibt privat auf: http://healthandthecity.de über Gesundheit fürs digitalisierte Leben.

3 Kommentare

  1. Pingback:Ausdauertraining richtig planen: Was können wir uns von unseren EM-Profis abschauen? - Kenkodo

  2. Vielen Dank für den interessanten Artikel, dem ich nur beipflichten kann. Seit ich mehrmals die Woche langsamer laufe komm ich mit meinem Training viel besser voran als am Anfang. Früher bin ich meist nur 1 -2 mal wöchentlich gelaufen und hatte ständig irgendwelche Zipperlein. Das gehört jetzt der Vergangenheit an. Jetzt gehe ich meist 4 x die Woche laufen.
    LG Sonja

  3. Vielen Dank.
    Sehr schöner Artkel.

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