Wann schreibst du eigentlich etwas über deinen Konsumverzicht, über dein Jahr ohne Klamotten-Shopping? Das hat mich inzwischen fast jeder Mensch gefragt, den ich kenne. In einem der ersten Beiträge auf diesem Blog über gute Vorsätze hatte ich meinen Konsumverzicht für 2015 kurz angekündigt. Außerdem hatte ich allen Freunden, Bekannten und auch vielen weniger gut Bekannten davon erzählt – mehrfach natürlich. Eigentlich kein Wunder, dass die Leute jetzt wissen wollen, wie es gelaufen ist.
Nur ich, ich hatte monatelang keine Lust, mich dazu zu äußern. Nicht etwa, weil ich es nicht geschafft hätte, mit das Einkaufen zu verkneifen. Im Gegenteil. Ich erwies mich als weniger konsumabhängig, als ich vermutet hatte. Und das schien mir ein derart unspektakuläres Ergebnis meiner Shopping-Detox-Kur, dass mir nichts dazu eingefallen ist.
Konsumverzicht: Für mich Übung in Selbstkontrolle
Minimalismus und Verzicht liegen ja schwer im Trend. Zur Selbsterfahrung oder um sich möglichst wenig an der Ausbeutung dieses Planeten und der Millionen sklavenartig tätigen Menschen zu beteiligen. Das sind sehr ehrenwerte Anliegen. Aber auch sehr große. Ich fühle mich davon überfordert. Mir ging es bei meiner Shoppingdiät einfach nur darum herauszufinden, wie gut ich mich zusammenreißen kann, wenn es mir explizit vornehme. Darum hatte ich einen Bereich ausgewählt, bei dem es mir schwer fällt, Maß zu halten: Kleidung und Schuhe.
Bin ich ein Kauf-Zombie?
Irgendwann war ich mir nämlich nicht mehr ganz sicher, ob ich nur Spaß an einem sehr gut gefüllten Kleiderschrank habe oder ein Konsumzombie bin: ein Opfer von Gesellschaftsdiktat und einem durch Werbung gelenkten Kaufimpuls. Der Verdacht beschlich mich 2014 beim Umräumen von der Sommer- auf die Wintergarderobe. Drei Kleiderboxen hatte ich ausgepackt, dann saß ich neben einem großen Haufen von Klamotten, deren Existenz ich vergessen hatte. Ich glich ihn mit den Einkäufen ab, die ich für die kommende Wintersaison bereits wieder getätigt hatte. Ich fand schwarze Stickpullis und Stickwesten in einer Menge, mit der man eine Boutique „the dark side“ eröffnen könnte. Plus eine Kollektion von Röcken, die ich nur mit Mühe auseinander halten konnte. Plus einen Stapel mit Teilen, die ich nie getragen hatte.
In den Jahren zuvor hatten mich diese Kleiderberge nie gestört. Ich mochte meine reiche Auswahl. Mode ist für mich eine Möglichkeit, Stimmungen auszudrücken. Dafür benötige ich einen Fundus.
Test auf Shoppingsucht
Doch im Spätherbst 2014 erschreckte mich die Masse. Maßlosigkeit war das Wort das sich mir im Angesicht meiner Fashion-Beute aufdrängte. Maßlosigkeit ist eine der sieben Todsünden – eine wenig sympathische Eigenschaft. Die wollte ich ablegen. Nur für mich. Das, nicht mehr und nicht weniger, war mein Plan, als ich beschloss, 365 Tage – das ganze Jahr 2015 – keine Kleider, keine Schuhe und keine Accessoires mehr zu kaufen.
Konsumverzicht: Als mein Entschluss fiel, dachte ich, eine schwere mentale Schlacht gegen meine Gelüste bestehen zu müssen. Ich fürchtete, ich sei wie Nunu Kaller, die geläuterte Shopaholic von „Ich kauf nix!“ – nur vor dem Shoppingentzug. Mit dem Fragebogen zu Kaufsucht der Psychotherapeutin Karin Kutz analysierte ich sogar meine Gefährdung. Ich diagnostizierte bei mir einen Hang zum Frustkauf und legte mir mehrere Strategien zurecht, um mich von Shoppingtouren fern zu halten. Unter anderem barg ich aus meinem Bücherschrank alle bis dato ungelesenen Bücher – für den Fall, dass ich ob des Shoppingentzugs eine innere Leere empfände.
Das Belohnungzentrum im Hirn ruft: „Kauf es!“
Was tatsächlich passierte war überhaupt nicht weltbewegend. Am Anfang des Jahres fiel es mir noch manchmal schwer, durch gute Einkaufsstraßen zu bummeln, ohne einen Laden zu betreten. Einige Kleidungsstücke, die meinem Beuteschema entsprechen, lösten einen heftigen Kaufdrang aus, wenn ich sie im Schaufenster sah. Genauso wie es der Neurobiologe Gerald Hüther beschreibt, sprang in mehreren Situationen das Belohnungszentrum in meinem Gehirn an und führte mich in Versuchung. Zwei, drei Mal ging ich dann sogar in den Laden und probierte die Sachen an. Ich fand sie ganz nett. Doch die Abwägung „nice to have“ gegen „Scheitern“ brachte mich zur Vernunft und ich verließ das Geschäft jeweils ohne Tüten. Das ging immer recht schnell. Ich war keineswegs stundenlang hin- und hergerissen und ich trauerte keinem einzigen der nichtgekauften Stücke hinterher.
Nach ein paar Wochen verloren Boutiquen und Schuhgeschäfte für mich den Reiz. Ähnlich wie Conrad Elektronik oder einen Baumarkt nahm ich sie kaum noch aktiv wahr. Wie mir das gelang? Keine Ahnung. Es passierte einfach.
Werbung ist doch nicht allmächtig
Und deshalb winde ich mich jetzt auch so sehr, wenn es darum geht, etwas über mein Jahr ohne Shopping zu schreiben. Ich habe keinen Tipp, nichts, was ich raten könnte, damit es gelingt. Es funktionierte einfach.
Natürlich habe ich daraus für mich persönlich etwas gelernt. Ich stelle beruhigt fest, dass ich kein Konsumopfer bin. Yes, die Werbeindustrie ist nicht allmächtig! Und: Frau kann ein ganzes Jahr ohne Culotte überleben – also ohne sich in Grund und Boden zu schämen, weil sie dem Trend des Jahres nicht folgt. Irgendwann gelang es mir sogar, die Pillings an einigen Pullis zu akzeptieren, die ich wegen des Kaufverzichts nicht einfach durch neue Pullover ersetzen konnte.
Am Ende bleibt vom Konsumverzicht, vom Jahr ohne Shopping, der Eindruck von größerer Unabhängigkeit. Persönliches Ziel erreicht.
Liebe Alex,
eine Freundin und ich hatten 2014 dasselbe Projekt – mit verblüffend ähnlichen, teilweise auch identischen Erfahrungen! Die richtige Herausforderung kam meiner Meinung nach aber erst nach dem Verzicht, weil man sein Kaufverhalten ja trotzdem neu in Frage stellt, sobald man wieder „darf“. Ich bin immer noch auf der Suche nach der richtigen Strategie – und dein Text war eine willkommene Anregung, sich wieder öfter an 2014 zu erinnern!
Liebe Katrin, danke für deine Einschätzung. Ich sehe das auch so. Nach so einem Jahr hat sich im Kaufverhalten etwas geändert, dem man für sich nachgehen muss. Ich bin momentan noch sehr shopping-resistent. Mal sehen, wie es sich entwickelt.
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