Meine Liebeserklärung ans Yoga

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Wenn es so etwas wie Wiedergeburten gibt, dann muss ich in einem früheren Leben schon einmal Yoga gemacht haben. Denn ich wusste schon, dass Yoga zu mir passt, als ich nicht mehr als eine vage Vorstellung davon hatte. Yoga hat mir, der Unsportlichen, Ungelenkigen gezeigt, dass Bewegung nicht nur gut tut. Sondern glücklich macht. Höchste Zeit für eine Liebeserklärung.

Diese Wärme im ganzen Rücken, das Gefühl, als hätte mir jemand eine kuschelige, schwere Decke um die Schultern gelegt.

Diese Leichtigkeit bis in die Haarspitzen, das Gefühl, Meter hoch springen zu können.

Die Stärke im ganzen Körper, das Gefühl, alles schaffen zu können.

Das löst eine Yoga-Stunde bei mir aus. Für 90 Minuten gibt es nur mich, meinen Körper, den glatten Holzboden im Yoga-Studio und die sanfte Stimme meiner Yogalehrerin. An einem miesen Tag ist die Yoga-Stunde meine Insel, auf der ich mich erholen kann. Ich schüttele den Kopf im herabschauenden Hund und Stress, Ärger und schlechte Laune fallen von mir ab. An guten Tagen kann ich alles vergessen, auch die anderen Übenden um mich herum. Dann ist Yoga wie Tanzen, die Bewegungen verschmelzen miteinander, mein Körper ist geschmeidig, macht alles wie von selbst. Und ich? Ich atme und lass mich fallen im Flow.

Mein Körper wusste, was er tat

Erst Yoga hat mir gezeigt, dass ich beweglich bin, dass auch mir Bewegung Spaß macht. Meine erste Yogastunde vor mehr als zehn Jahren war wie nach Hause kommen. Das Glücksgefühl werde ich nie vergessen: Die Asanas (so heißen die Übungen beim Yoga) fielen mir leicht. Mein Körper wusste, was er tat. Und er tat es gerne.

Das ging mir damals zum ersten Mal so. Ich hatte schon im Kindergarten Angst vor Bällen, war ein tollpatschiges Kind, das im Schulsport als letzte in die Mannschaft gewählt wurde und verweigerte nach dem Abitur Sport einfach konsequent. Aber da war schon dieses Gefühl, das Yoga etwas sein könnte. Warum, hätte ich gar nicht sagen können. Wahrscheinlich, weil ich damals – wie viele – auch noch dachte, Yoga hätte hauptsächlich mit Entspannung zu tun. Ganz langsame Bewegungen und dann ganz lange auf der Matte liegen. Wenn ich damals in der Yoga-Stunde gelandet wäre, die ich heute besuche, ich wäre gegangen und nie wieder gekommen: Zu schnell, zu anstrengend, zu verwirrend. Heute, zehn Jahre später, ist es genau dieser dynamische Ablauf, der mich so glücklich macht.

Yoga holte mich da ab, wo ich war…

Damals, als Anfängerin, war ich genau richtig in dem Volkshochschul-Kurs, der auf die Basics setzte und vor allem auf Langsamkeit. Die Asanas wurden lange gehalten, danach gab es eine kurze Entspannung auf dem Rücken. Wahrscheinlich bin so schnell im Yoga angekommen, weil es mich dort abgeholt hat, wo ich gerade war.

Trotzdem war ich am Anfang schnell ungeduldig, manchmal auch frustriert. In der Vorwärtsbeuge konnte ich nicht mal meine Zehen mit den Fingerspitzen berühren, geschweige denn, sie mit der ganzen Hand umfassen. Andere legten ihren Oberkörper wie bei einem Klappmesser einfach auf den Beinen ab. Das sah leicht aus, geschmeidig, und vor allem nicht schmerzhaft. Ich dagegen hatte große Probleme, die Knie durchzudrücken – alles verkürzt, na klar – und die Stellung überhaupt zu halten. Überall zog und zwickte es und dann schliefen mir auch noch regelmäßig die Beine ein.

…und hat mich Demut gelehrt

Später erfuhr ich, dass die Vorwärtsbeuge auch oft Stellung der Demut genannt wird. Das stimmt, Demut hat sie mich gelehrt. Demut davor, was mein Körper kann und was nicht. Zu was er je nach Tagesform in der Lage ist oder auch nicht. Demut vor dem Faktor Zeit. Es hat lange gedauert, bis die Bänder und Sehnen in meinen Beinen der Dehnung nachgaben, bis ich ahnte, wie geschmeidig sich diese Übung anfühlen kann, wie angenehm es ist, sich einfach nach vorne abzulegen. Das ist keine Frage von Wochen. Eher von Jahren.

Es hat auch mit Durchhaltevermögen zu tun – obwohl, das ist das falsche Wort. Durchhaltevermögen klingt so nach zusammengebissenen Zähnen. Im Yoga ist es mehr ein „steter Tropfen höhlt den Stein“. Einfach weiter machen, nicht nach links oder rechts schauen, sondern in sich hinein. Nichts erzwingen. Ich begann, immer ohne Brille zu üben, setzte sie höchstens auf, wenn der Yogalehrer eine Asana erklärte. Meine Kurzsichtigkeit war in diesem Fall ein Segen, mit meinen fünf Dioptrien nahm ich nur noch verschwommen wahr, ob zwei Matten weiter ein Super-Yogi oder blutiger Anfänger übte. Ich konzentrierte mich allein auf mich und konnte mich irgendwann beim Üben so entspannen, dass ich es manchmal mit geschlossenen Augen tat.

Du kannst nichts erzwingen

Das mit der Entspannung ist nämlich auch so eine Sache. Anfangs dachte ich, ich mach jetzt Yoga, dann bin ich sofort entspannt. Und war zuerst alles andere als das. Auch so ein Aha-Effekt beim Yoga: Ich musste erst lernen, mich zu entspannen. Allein auf der Matte, in Savasana, zurück geworfen auf mich und meine Gedanken, war ich alles andere als entspannt. Eher hibbelig, nervös, angespannt. Besonders schwierig finde ich das immer noch beim Meditieren. Jede Zelle, jeder Gedanke in mir scheint sich mit aller Kraft dagegen zu stemmen. In meinem Kopf rast das Gedankenkarussell, in meinen Füßen kribbelt es, der Rücken tut weh vom Sitzen, fünf Minuten kommen mir vor wie fünf Stunden, alles in mir schreit: Du! Sollst! Nicht! Meditieren!

Aber im Yoga kann man eben nichts erzwingen. Je länger ich übe, desto besser kenne ich meinen Körper. Ich bin achtsam geworden und erkenne die Stopp-Zeichen, den Widerstand – manchmal ist es nur ein leichter Schmerz – wenn ich es mit einer Asana nicht übertreiben sollte. Es ist nur eine Momentaufnahme. Sie bedeutet: Heute nicht. Aber vielleicht nächste Woche. Oder nächstes Jahr.  Nach zehn Jahren Yoga schaffe ich manchmal einen Kopfstand. Er kostet mich unglaubliche Kraft, vor allem psychische. Ich muss all meinen Mut zusammen nehmen, mit überwinden und mich vor allem wahnsinnig konzentrieren. Aber in den ersten Jahren hätte ich mir nicht einmal vorstellen können, die Zehen vom Boden abzuheben.

Yoga passt sich an dich an

Was ich am meisten am Yoga mag: Nicht ich muss mich meinem Sport und seinen Anforderungen anpassen. Stattdessen passt sich jede Übung mir, meinem Können und meinen Bedürfnissen an. Und das gilt für jeden Menschen auf der Welt. Yoga ist für jeden offen, jeder kann es üben. Yoga kann dich glücklich machen, auch wenn du kein vegetarisch lebender, spirituell erleuchteter Super-Yogi bist.

 

 

Ein Super-Yogi wird nie aus mir werden. (Ich hab’s ja schon nicht geschafft auf Zucker zu verzichten, wie soll das mit Fleisch funktionieren?) Ich brauche keinen spirituellen Überbau, kein ayurvedisches Essen, keine Erfahrung im Ashram.

Mir reicht die wunderbare Verbindung zwischen Körper und Seele, die eine Yoga-Einheit herstellt. Ich bin dankbar für die Kraft, die Demut, die Entspannung und Ruhe, die mir Yoga schenkt.

Yoga wird immer meine Insel sein, mein Zuhause, mein Rückzugsort.

In 50 Jahren will ich die alte Omi sein, die ganz elegant ihren Oberkörper auf den Oberschenkel ablegt.

Ganz geschmeidig. Ganz demütig.

Foto: Karte/hemma-yoga.de

 

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3 Kommentare

  1. Liebe Nadja,
    dass Du nach einer Yoga-Stunde meterhoch springen kannst oder Dich zumindest so fühlst, verblüfft mich. Ich schleiche da meist eher raus. Das Wohlgefühl kommt erst später. Für mich ist meine Yogastunde der wichtigste Termin der Woche. Ohne das regelmäßige Dehnen, Drehen und gleichzeitige Abschalten fühle ich mich sonst ganz schnell wie ein Wrack.
    Grüße
    Annett

    • Nadja Katzenberger

      Ich gebe zu, das Gefühl meterhoch springen zu können, habe ich nur nach ganz besonderen Yogastunden. Aber das vorherrschende Gefühl nach jeder Stunde ist: Da hat mich mal wieder jemand auseinander gezogen und in die richtige Form gebracht. Auch bei mir der wichtigste Termin der Woche – ganz klar. Vielleicht schaffen wir mal ein gemeinsames Yoga-Wochenende?

  2. Wow, gleich ein ganzes Wochenende. Danach können wir entweder wirklich meterhoch springen oder müssen abtransportiert werden. Aber probieren könnten wir das mal.

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