Upcycling Ideen: Das Täschchen oder alte Treter aufgehübscht

Wir freuen uns sehr, euch heute einen Gastbeitrag mit einer speziellen Upcycling Idee präsentieren zu dürfen. Unsere Journalisten-Kollegin Birgit Ruf ist seit einiger Zeit mit einem Umhängetäschen unterwegs, das uns irgendwann ins Auge stach. Butterweiches braunes Leder, kombiniert mit neongelben Nähten und einen neongelben Umhängegurt. Wir wollten wissen, wo sie dieses Schätzchen gekauft hat. Als wir die Geschichte dieser Tasche hörten, wussten wir: Die muss auf unserem Blog erscheinen, denn sie handelt nicht nur von Upcycling, sondern vom Glück, das einem eine schöne Erinnerung beschert.

Upcycling Ideen enden nicht beim Umnähen alter Klamotten

Upcycling ist ein Trend, bei dem es darum geht, alte Dinge – oft müllreif – in neue, hochwertigere Sachen zu verwandeln. Das ist bei dieser Handtasche so beispielhaft geglückt, wie wir es selten bei den vielen Upcycling Ideen gesehen haben, die durchs Netz schwirren. Upcycling mit alten Klamotten, Plastikflaschen, Knöpfen oder Euro-Paletten: alles schön. Aber so gelungen mit einem schwierigen Material wie Leder? Lasst euch überraschen und inspirieren, selbst auch eure schönsten Andenken zu bewahren.

Noch einige Worte zu unserer Gastautorin: In ihrem Redakteursjob ist Birgit Ruf Expertin für Diabetes-Themen. Als stellvertretende Chefredakteurin und Chefin vom Dienst beschäftigt sie sich mit der ganzen Spanne: Lifestyle, Technik, Krankheiten. Vom Marmeladekochen mit wenig Zucker bis zum Schuhkauf bei Fußproblemen.

Hier nun die Geschichte von Birgit Ruf:

„Hast du dir wieder die alten Treter umgehängt?“ Mit dem Spruch begrüßt mich Bruno, wenn wir uns beim Tango treffen. Die allernotwendigsten Sachen – Schlüssel, Taschentuch, Geld, Lippenstift – hänge ich mir bei Milongas in einer schmalen Tasche klausicher über die Schulter. Recht hat er mit seinem Kommentar: Das Täschchen waren mal meine Stiefel. Lieblingsstiefel: an einem runden Geburtstag gekauft und 13 Jahre lang jeden Winter getragen. Tag für Tag. Superstiefel: bequem, weiche Sohle, wadenhoch, sie passten zu Kleidern, Hosen jeder Länge, zu allem. Pflanzengegerbtes, hellbraunes Leder, aus einem Bio-Klamotten-Laden in Neuhausen, importiert von einem Schuster aus Portugal, den es nicht mehr gibt.

Jahrelang der perfekte Schuh, jetzt Müll?

Aber ach, nach 13 Jahren war die Sohle durchgewetzt, der Reißverschluss schon einmal ausgetauscht, waren Fersen und Zehenkappen abgestoßen. Die Schustermeisterin im Viertel schüttelte nur den Kopf. Diagnose: nix mehr zu machen, ein Fall für die Mülltonne. Niemals!, dachte ich: die treuen Stiefel, 13 Winter (die in München gern fünf Monate dauern) gute Dienste geleistet, die Füße warm verpackt, einfach wegwerfen … ? An Upcycling Ideen hat es mir noch nie gefehlt. Alte Herrenhemden rette ich ja auch, schneide abgestoßene Kragen ab, und schon gehen sie indisch beseelt als Stehkragenhemden durch. Am Schaft waren meine Lieblinge schließlich komplett in Ordnung. Was tun? Die 60 Jahre alte Nähmaschine meiner Mutter umrüsten, dicke Nadeln kaufen, selbst ans Werk? Klappt nicht, war klar. Die alte Anker kommt mit Hemdkrägen und zu langen Hosenbeinen zurecht, aber nicht mit der Haut von Rindviechern.

Nur vage Upcycling Ideen? Profis fragen, liebevolle Tipps erhalten

Meine Freundin Micha kam auf die rettende Idee: „In der Klenzestraße gibt’s was, die verarbeiten Leder“. Also trennte ich die Schäfte in Höhe der Sprunggelenke ab, sagte den Fußteilen lebewohl und nichts wie hin zu dem Laden im Glockenbachviertel, der nicht nur schickes Zeug verkauft, sondern auch ein bisschen nach Werkstatt riecht, nach Selbstgemachtem. Gute Ware haben die, nicht so edel-gediegen wie Manufaktum. Eine junge Frau fragte, was sie für mich tun könne, schaute sich meine Mitbringsel an, murmelte „schöne Stücke“, „ja, da kann man was draus machen“, „viel zu schade zum Wegwerfen“. Und wie sie das Leder betastete, darüberstrich und es ein wenig knetete! Eher war es ein Liebkosen. Ich wusste: Hier bin ich richtig. Meine Idee, ein Portemonnaie daraus zu machen, fand sie gut.

Zwei Stiefelschäfte seien ziemlich viel Material für ein Portemonnaie – ob es auch ein Umhängetäschchen im Clutch-Format sein dürfte? Legte das Maßband an, rechnete rum, zeigte mir eine Auswahl von gefühlt hundert verschiedenen Nähgarnen und Lederproben für das Umhängeband. Glattes Neongelb würde gut zu dem Runzel-Hellbraun passen, da waren wir uns rasch einig. Suchten einen Reißverschluss und kleine Karabiner aus. Zwei Wochen später holte ich es ab, mein Täschchen. Das war vor drei Jahren und ich freue mich jedes Mal, wenn ich „mit kleinem Gepäck“ ausgehe. Nicht nur im Winter, in jeder Saison.

Das neue „kleine Gepäck“ ist teuer, aber jeden Euro wert

Billig ist das Stiefel-Upcycling allerdings nicht. Arbeitsstunden, Nähgarn, Karabiner, Material für das Neonband – das hat zusammen mehr gekostet als damals die neuen Stiefel. Dafür ist es handgenäht von einer Einheimischen, die von solchen Auftragsarbeiten ihre Stadtmiete finanziert. Kein Zwischenhändler verdiente daran, kein Kind in Bangladesh musste mit bloßen Händen Leder gerben, kein Frachtschiff Ozean und Atmosphäre verpesten, um die Ware nach Europa zu schaffen.

Upcycling Ideen haben Tradition. Otto blödelte in den 80er-Jahren rum, wie man aus Pappas Hifi-Boxen prima Hamsterkäfige baut. Brigitte rät uns, alte Wollpullover im Kochwaschgang zu filzen, um aus dem dichten Stoff Fausthandschuhe zu nähen. Patagonia schneidert Fleecejacken aus geschredderten PET-Flaschen und Levis baut sie angeblich zu 20 Prozent in (manche) Jeans ein.

Okay – die Welt lässt sich mit dieser Art von Wiederverwertung nicht retten. Vielleicht ist sie ein Schritt in die richtige Richtung, ein winziges Schrittchen. Aber eins ist sicher: Ein Unikat ist ein Unikat ist ein Unikat.

 

Unseren Lieblings-Upcycling-Blog, der uns immer wieder inspiriert, findet ihr hier: Schnipp schnapp, Kragen ab!

Über uns Alexandra von Knobloch

Journalistin: Gesundheit, Wissenschaft, Medizin. Dozentin Print/Online. Innovationstrainerin mit Design Thinking. Schreibt privat auf: http://healthandthecity.de über Gesundheit fürs digitalisierte Leben.

5 Kommentare

  1. Ich stelle fest: ich werde älter… Upcycling heißt es also etwas zu tun, das für mich selbstverständlich ist: wertvolle Sachen reparieren oder ändern lassen… Das sie dabei nicht häßlicher werden sollen versteht sich von selbst 😉 Wollt ihr euren Lesern verraten wer sich so liebevoll um Ledersachen in der Klenzestraße kümmert? Nur soviel: ich habe dort meiner geliebten Tasche auch schon einen neuen Tragriemen verpasst und bin sehr zufrieden damit :)))

  2. Eine tolle Idee!

  3. Annett von SchnippSchnapp-Kragenab

    Die Schuhe würde ich auch nehmen! Das ist wirklich eine tolle Verwandlung. Très chic!

  4. mega schön…
    Habe auch noch alte Treter zuhause rumstehen und werde die im Winter umnutzen, da sie innen gefüttert sind und ganz bestimmt meine Hände dann wärmen werden… Schreibe im Übrigen auch einen Blog, meine Themen sind Upcycling und ein wenig Gesellschaftskritik. (www.alttrifftneu.de)

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