Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und das ist schrecklich. Denn kaum etwas ist schwerer, als Gewohnheiten zu ändern. Jeder, der es versucht hat, weiß, wie oft man scheitert. Psychologen gehen davon aus, dass nur acht Prozent der Leute, die eine Veränderung bei sich selbst anstreben, diese nach einem Jahr auch erreicht haben.
Mit dieser Zahl im Kopf würde man am liebsten sofort aufgeben: Egal ob man sich weniger Stress vorgenommen hat, mehr Zeit für die Familie. Abnehmen, mehr Sport, weniger Chaos oder eine Beschränkung der digitalen Reizüberflutung. Nur acht Prozent Erfolgsrate? Ach komm, da sinke ich doch demotiviert aufs Sofa und tue, was ich immer tue. Oder doch lieber nicht aufgeben? Die Psychologie kennt viele Tipps, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit nachweislich steigern. Ich habe sie zu 8 Schritten zusammengefasst, die mir selbst enorm helfen. Hier der Überblick:
- Schritt 1: Misserfolge analysieren, Erfolgschancen verbessern
- Schritt 2: Gewohnheiten verstehen
- Schritt 3: Die Auslöser einer unliebsamen Gewohnheit erkennen
- Schritt 4: Den heimlichen Gewinn hinter einer schlechten Gewohnheit aufspüren
- Schritt 5: Die häufigsten 3 Gründe für hartnäckige Rückschläge ausschalten
- Schritt 6: Nicht zu positiv denken
- Schritt 7: Wenn-dann-Pläne für den Krisenfall
- Schritt 8: Bei jedem Versuch eine neue Strategie anwenden
Schritt 1 beim Gewohnheiten ändern: Misserfolge analysieren, Erfolgschancen verbessern
Offenbar muss fast jeder Rückschläge in Kauf nehmen, der Gewohnheiten ändern möchte. Sobald man sich dessen bewusst ist, kann man auf die Erfolgsspur einschwenken. Ich habe das selbst erlebt, als ich versucht habe, Joggen zu lernen. Jahrelang habe ich gedacht, ich würde es nie schaffen. Aber wenn man seine Strategie bei jedem neuen Versuch ändert, gelingt es doch irgendwann.
Denn: Aus einer Analyse des Misserfolgs kann man lernen, wie man es beim nächsten Mal besser macht. Jeder Rückschlag will ausgewertet werden, um beim nächsten Versuch nicht an der gleichen Hürde hängen zu bleiben. Das steigert die Chancen. So hat der Psychologe und Leiter der IFT-Gesundheitsförderung, Christoph Kröger, beim Thema Raucherentwöhnung festgestellt: „Mit der Zahl der Versuche steigt die Erfolgschance.“
Nicht aufgeben, es immer und immer wieder versuchen, bringt einen irgendwann an sein Ziel, eine oder mehrere Gewohnheiten dauerhaft zu ändern. Oder wie es in meinem Lieblingszitat heißt: „Opportunities are like buses, there’s always another one coming.“ (Richard Branson; Gründer der Plattenfima Virgin).
Schritt 2: Gewohnheiten verstehen
Damit man seine Strategie bei jedem Versuch ändern kann, muss man als Erstes verstehen, was eine Gewohnheit ist und wie sie abläuft.
Das menschliche Gehirn ist darauf ausgerichtet, wann immer es geht, automatisierte Handlungsmuster einzusetzen. Wir brauchen eine Kaffeetasse, also greifen wir ohne Nachzudenken in den Küchenschrank, in dem sie immer steht. Bewusst wird uns so eine Routine erst, wenn sie nicht funktioniert – zum Beispiel, weil Sohnemann die Tassen nach dem Abwasch falsch einsortiert hat.
Gewohnheiten sparen Energie, darum sind sie so hartnäckig
Warum das Gehirn so arbeitet? Ganz einfach: Es spart Energie. So sind bei Ratten, wenn sie einmal den Weg durch ein Labyrinth kennen, weniger Gehirnbereiche aktiv, als wenn sie den Weg erst noch lernen müssen. Die Areale, die für komplexe Denkprozesse und Entscheidungen zuständig sind, haben dann Pause. Arbeiten müssen nur noch die Basalganglien, das sind Nervenkerne im gehirn, die vertraute Bewegungsmuster speichern.
Gewohnheiten ermöglichen es uns überhaupt erst, den Alltag zu bewältigen ohne durchzudrehen. Sonst müssten wir über jede Kleinigkeit nachdenken und unser Handeln dauernd hinterfragen. Das könnte auf Dauer niemand aushalten. Routinen und Rituale schaffen außerdem Vertrautheit, wir fühlen uns mit ihnen sicher. Nicht zuletzt sparen sie Zeit – unserem Hirn, das keine Nervenbahnen beanspruchen muss und unserem bewussten Ich. Zum Beispiel, weil das Sortieren der E-Mails viel schneller geht, wenn man es immer nach demselben Schema erledigt.
Schritt 3: Die Auslöser einer unliebsamen Gewohnheit erkennen
Das Entscheidende an einer Gewohnheit ist: Sie wird immer durch eine bestimmte Situation ausgelöst und läuft dann ganz von alleine ab, also unbewusst.
Heimkommen, Computer anmachen, in den Sessel lümmeln und eine Lieblingsserie gucken. Das funktioniert wie im Schlaf. Dagegen ist es anstrengend, das einmal angelaufene Gewohnheitsprogramm zu stoppen und eine Runde Joggen zu gehen, statt sich dem Bingewatching zu ergeben.
Schritt 4: Den heimlichen Gewinn hinter einer schlechten Gewohnheit aufspüren
Hier kommt der zweite entscheidende Punkt an einer Gewohnheit ins Spiel: Sie bietet dem trägen Ich immer einen schnellen Gewinn. Und sei es nur die momentane Bequemlichkeit. Natürlich existieren ganz verschiedene Arten von Vorteilen: Beim Raucher gibt nach einer Nikotindosis das Suchtzentrum wieder eine Weile Ruhe. Stopft man eine halbe Tafel Schokolade in sich hinein, lenkt einen das für zehn Minuten von dem schlechten Tag ab, den man hatte. Eine halbe Stunde später fühlt man sich erbärmlich – aber zunächst war da ein kleiner, schneller Freude-Kick.
Das ist Grund, warum Verhaltensweisen hartnäckig an uns kleben, unter denen wir schon lange leiden. In Wahrheit leisten viele schlechte Gewohnheiten, über die wir jammern, etwas ganz Entscheidendes für uns: Sie ersparen es uns, über tiefer liegende Ursachen bestimmter Probleme nachzudenken. „Irgendetwas scheint an unserem eigenen Unglück so unverzichtbar zu sein, dass man sich einfach nicht davon lösen kann“, sagte dazu der Pädagoge Rolf Arnold in der Zeitschrift „Psychologie heute“.
Bis 50 Prozent unserer Handlungen geschehen aus Gewohnheit
Insgesamt schätzen Forscher, dass 30 bis 50 Prozent unserer Handlungen von Gewohnheiten bestimmt sind – von Verhaltensabläufen also, die uns ohne Aufwand eine schnelle Belohnung bringen. Kein Wunder, dass es verdammt schwer ist, davon loszukommen.
Wer Gewohnheiten ändern möchte, muss sich als erstes folgende Fragen stellen:
- Was ist der Auslöser des Verhaltens, das ich an mir nicht mag?
- Wie läuft das Muster typischerweise ab?
- Was ist mein Gewinn?
Hat man darauf Antworten, kann man sich daran machen, eine alte Gewohnheit durch eine neue, bessere zu ersetzen. Denn nur so funktioniert es: In der auslösenden Situation muss irgendwann ein neues Programm ablaufen, das einem einen neuen Vorteil bringt. Wenn das klappt, hat man es geschafft.
Schritt 5: Die häufigsten 3 Gründe für hartnäckige Rückschläge ausschalten
Jeder Rückschlag zeigt einem, dass irgendetwas in der Kette noch nicht stimmt. Woran es liegen kann? Die häufigsten 3 Gründe habe ich hier im Blogbeitrag zum Neuanfang schon behandelt. Daraus kann man schon mal viel lernen, was einem kein zweites Mal passieren wird. Etwa die Sache mit der richtigen Motivation, dem richtigen Zeitpunkt oder dem konkreten Vorsatz. Wie unglaublich wertvoll konkrete SMART-Ziele sind, habe ich zum Beispiel bei meinem Projekt Joggen länger durchhalten erlebt.
Doch manchmal hat man schon eine ganz passende Vorstellung von seinem neuen Verhaltensmuster und macht auch bei den großen 3 Knackpunkten schon alles richtig und – das mit dem Gewohnheiten ändern funktioniert trotzdem noch nicht.
Woran kann es dann liegen?
Schritt 6: Nicht zu positiv denken
Einen Rückschlag erleidet man häufig in Phasen der Euphorie. Man freut sich, dass die ersten Tage mit dem neuen, verbesserten Ich so gut gelaufen sind und malt sich aus, wie toll es wird, wenn der neue Job gefunden ist oder wenn die lästigen 10 Kilo runter sind. Vorsicht, mahnt da die Psychologieprofessorin Gabriele Oettingen, die in New York und Hamburg lehrt. In ihrem Buch „Die Psychologie des Gelingens“ zeigt sie auf, dass positiv denken tückisch sein kann. Wir verlieren dabei leicht den Blick für die Realität, also für die Anstrengung, die noch nötig ist, damit eine neue Gewohnheit sich fest etabliert. Ihre Erkenntnis: Schaut auf die Hindernisse! Menschen, die das tun, gelingt es besser, individuelle Ziele zu erreichen.
Schritt 7: Wenn-dann-Pläne für den Krisenfall
Die Lösung sind sogennante Wenn-Dann-Pläne, hat der Psycholge Peter Gollwitzer herausgefunden, mit dem Gabriele Oettingen viel zusammenarbeit. Es geht darum, sich genau zu überlegen, welche Probleme auf dem Weg der Veränderung lauern könnten. Für diese Situationen bereitet man sich Lösungen vor. Zum Beispiel: Wenn ich Lust auf Schokolade bekomme, rufe ich eine Freundin an und unterhalte mich mit ihr über etwas schönes, bis die Krise um ist. Ganz ehrlich: Von solchen Wenn-Dann-Plänen braucht man für manche Gewohnheitsänderung sehr viele. Denn bestimmten Versuchungen kann niemand ausweichen. Essen zum Beispiel. Es ist lebenswichtig und wir können froh sein, dass wir es im Überfluss zur Verfügung haben. Aber was tut man, wenn man abnehmen will? Wie man auf diese Dauer-Herausforderung richtig reagiert, kann man fast nur durch eine Reihe von Rückschlägen lernen.
Schritt 8 beim Gewohnheiten ändern: Bei jedem Versuch eine neue Strategie anwenden
Rückschläge haben noch einen großen Vorteil: Sie schaffen Erfahrungen, zeigen, dass man etwas tut und nicht beim Wünschen und Wollen verharrt. Denn eine Gefahr für alle, die Gewohnheiten ändern möchten, liegt darin, die Suche nach Motiven und Widerständen als Ausrede zu nutzen: Nach dem Motto: „Ach nö, es ist sinnlos eine Diät zu beginnen, solange ich nicht sicher bin, warum ich eigentlich so dick geworden bin.“
Im Vorteil ist dagegen, wer sich immer wieder gegen Rückschläge aufbäumt – und dabei jedesmal etwas Neues ausprobiert. Denn es gilt der Satz von Albert Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Nur wenn man neue Wege geht, lernt das Gehirn – und wer eine Gewohnheit ändern will, muss schließlich umlernen. Darum: Nie aufgeben, immer wieder einen neuen Pfad einschlagen. Irgendwann ist es der richtige. Der, der zum Traumziel führt.