Faszientraining: Leichte Übungen, mehr Beweglichkeit, weniger Schmerzen

Geschmeidig und stabil: Ballett ist ideales Faszientraining – aber es geht auch einfacher (Foto: Ron Sartini/unsplash.com)

Faszientraining boomt: Überall Faszienrollen, Faszien-Kurse, Faszien-Bücher.

Fast könnte man meinen, unsere Körper hätten dieses netzartige Bindegewebe gerade erst entwickelt – oder Forscher es eben erst entdeckt. Tatsache ist, dass unsere Faszien einfach lange kaum beachtet wurden. Sie waren einfach da, umhüllten Muskeln und Organe, ihr Einfluss auf unsere Beweglichkeit und Stabilität schien gering. Heute weiß man: Genau das Gegenteil ist der Fall.

„Faszien sind überall im Körper, man muss sie sich vorstellen wie ein dreidimensionales Spinnennetz, das alles im Körper bedeckt“, sagt Markus Rossmann, Fascial Fitness Master-Trainer aus Erding bei München. Faszientraining ist deshalb so wichtig, weil die elastischen Fasern unserem Körper Stabilität Beweglichkeit und auch Schmerzfreiheit garantieren. „Bei jedem Atemzug bewegen sich unsere Organe, sie müssen gut aneinander vorbei gleiten können“, sagt Rossmann. Warum sich die Forschung jetzt intensiver mit den Faszien beschäftigt und wie Faszientraining zum Beispiel bei Rückenschmerzen helfen kann, hat Alex bereits im Blog-Beitrag Faszien: Der Schlüssel gegen Rückenschmerzen erklärt.

Faszien brauchen Wasser

Doch die feine Faser-Struktur verliert diese Geschmeidigkeit schnell, wenn man sie nicht pflegt. „Die Faszien sollten nicht verfilzen und spröde werden, sonst trocknen sie aus“, sagt Markus Rossmann. Richtig gelesen – Faszien können austrocknen und verkleben. Unser Bindegewebe besteht zu großen Teilen aus Wasser. Bleibt dieses Gewebe aber starr und unbeweglich, verschwindet das Wasser – und damit auch die Elastizität der Fasern. Viel trinken hilft da wenig. Es ist die Bewegung, die für die nötige Feuchtigkeit und Geschmeidigkeit sorgt – und die Faszien sozusagen „bewässert“.

Bewegung ist also wichtig – aber welche? Nicht jedes Training ist auch ein gezieltes Faszientraining. Meist geht es beim Sport um Muskelaufbau, die Faszien hat da kaum einer auf dem Schirm.
Die meisten Sportarten haben nur geringen Effekt auf die Faszien. Vor allem, wenn man die immer gleiche Sportart mit den immer gleichen Bewegungen macht. „Faszien brauchen Bewegungsvielfalt“, sagt Markus Rossmann. Fürs Joggen würde das zum Beispiel bedeuten: Nicht einfach Runden drehen, sondern Hindernisse nutzen, statt sie zu umgehen, mal an einen Baumstamm hüpfen, am Spielplatz ans Klettergerüst hängen…

Faszientraining ist abwechslungsreich

Faszientraining bedeutet deshalb: Schwingen, wippen, federn, hüpfen, räkeln… in alle Richtungen und so abwechslungsreich wie möglich. „Es würde schon reichen, sich einfach unterschiedlich zu bewegen, aber viele Leute wissen gar nicht mehr wie das geht“, sagt Markus Rossmann. Kein Wunder, wenn die meisten von uns den größten Teil des Tages mit rundem Rücken am Computer sitzen (und abends auf dem Sofa).

Markus Rossmann rät deshalb:

„Anleiten lassen – wenn man das Prinzip Faszientraining verstanden hat, ist es glasklar.“

So trainiert Ihr Eure Faszien – mit oder ohne Blackroll

Ich habe mir von Markus Rossmann leichte Übungen zeigen lassen, die jeder problemlos zu Hause oder im Büro nachmachen kann. Faszientraining ist simpel und effektiv – jeder kann es schnell anwenden.

Wichtige Frage: Braucht es dazu eine Faszienrolle, die „Blackroll“?
Nicht unbedingt, sagt Markus Rossmann. „Aber wenn man wenig Zeit hat und effektiv etwas machen will, sind die 30, 40 Euro für die Black Roll gut investiertes Geld – für mich ist es die beste Entdeckung der letzten Jahre.“

Er rät: Idealerweise morgens und abends 15 Minuten mit der Black Roll üben. „Man kommt besser durch den Tag und bekommt wieder mehr Lust auf Bewegung.“

Markus Rossmann hat für uns vier Übungen zusammen gestellt, die Ihr leicht zu Hause oder im Büro nachmachen könnt. Ohne viel Wissen oder viel Vorbereitung.

Faszientraining (1): Dehnübung für die Arme

Das geht in jeder Mittagspause:

  • Aufstehen, hüftbreit hinstellen
  • linken Arm nach oben strecken und nach links beugen
  • linkes Handgelenk mit der rechten Hand umfassen und den Arm weiter nach links ziehen
  • Arm aufdrehen und weiter nach links und nach hinten ziehen – so bringt man mehr Zug auf den Arm, perfekt für die Faszien
  • jetzt sanft wippen: nach hinten, nach vorne, zur Seite
    auf der anderen Seite wiederholen

Hier seht Ihr die Übung noch einmal im Video:

 

Faszientraining (2): Die Wirbelsäule dehnen

Den Rücken nach unten dehnen? Viele trauen sich das nicht. Manchmal ist die Muskulatur verkürzt und man kommt nur bis zum Knie. Manchmal tut’s auch weh. Sollte man sich also überhaupt nach unten beugen? Ja!, sagt Faszientrainer Markus Rossmann. „Der liebe Gott hat uns eine Wirbelsäule gegeben, die es uns erlaubt, uns zu strecken und zu beugen. Wer keine Rücken- oder Bandscheibenprobleme hat, sollte sich auf jeden Fall auch nach unten beugen und dehnen.“

So geht die Übung:

  • Zuerst die Arme nach oben strecken
  • mit gestreckten Armen nach unten beugen
  • die Position der Füße immer wieder verändern: mal nach innen, mal nach außen drehen, nach links oder rechts oder überkreuzen
  • beim Nach-Unten-Beugen leicht mit dem Oberkörper wippen oder federn – in alle Richtungen

Wichtig: Das Wippen oder Federn sollte bei allen Übungen weich und sanft geschehen, nicht mit Schwung oder Druck. Manchmal reichen schon kleine, kaum sichtbare Bewegungen.

Markus Rossmann sagt: „Das Zusammenspiel von Rücken und Faszien führt zu weniger Rückenproblemen. Gerade beim Beugen werden Faszien wie ein Gummi gedehnt und gezogen. Am besten dehnt man sie deshalb in alle Richtungen, setzt durch die unterschiedliche Stellung der Füße verschiedene Impulse. Wie gesagt: Abwechslung ist extrem wichtig für die Faszien.“

Hier seht Ihr die Übung im Video:

Faszientraining (3): Hände, Handgelenk, Unterarm

Bei der Arbeit am Computer macht der „Mausarm“ schnell schlapp. Die – meist – recht Hand, die die Maus führt oder am Touchpad klickt, leidet irgendwann unter den einseitigen, unnatürlichen Bewegungsabläufen. Die Folge: Schulturprobleme, Überlastung der Sehnen („Tennisarm“), Karpaltunnelsyndrom im Handgelenk. Mit Faszientraining lässt sich das verhindern.

Am besten nutzt man dafür eine kleine Faszienrolle: Sie passt in jede Handtasche und auf jeden Schreibtisch.

So geht die Übung:

  • Die Maus weglegen und stattdessen die Faszienrolle in die „Maushand“ nehmen
  • zuerst die Finger auf die Rolle legen
  • mit leichtem Druck erst über die Finger rollen
  • dann über die Handinnenfläche, weiter zum Handgelenk
  • vorher die Hand nach oben klappen und spannen
  • dann über das Handgelenk rollen
  • schließlich über den kompletten Unterarm, bis zum Ellenbogen
  • zum Schluss den Arm drehen und die Außenseite bearbeiten

Natürlich könnt Ihr der anderen Hand etwas Gutes tun und sie mit der Faszienrolle bearbeiten, am wichtigsten ist, regelmäßig mit der Maushand zu trainieren.

Hier seht Ihr die Übung noch einmal im Video:

Faszientraining (4): Oberschenkel, Gesäß, unterer Rücken

Meine ersten Übungseinheiten mit der Black Roll fand ich nicht so erfolgreich – trotz DVD-Anleitung und Internet-Tipps war ich mir nie sicher, ob ich es auch richtig mache.

Faszientrainer Markus Rossmann hat mir erklärt, wie’s geht:

  • ein Bein auf die Rolle legen und langsam die Oberschenkelrückseite bearbeiten
  • ideal: zwischen Kniebeuge und Gesäß rollen, dort intensiver rollen, wo man es am meisten spürt oder: wo es am meisten weh tut. Das sind die verklebten Faszien
  • immer kleinere Bereiche „rollen“, sonst wird’s zu anstrengend
  • pro Region etwa 60 Sekunden, dann weiter zur nächsten
  • anschließend auf die Rolle setzen, den rechten Fuß über das linke Knie legen und zur rechten Gesäßhälfte drehen. Rossmann: „Für Menschen, die viel sitzen ist das oft schmerzhaft, die Muskulatur ist hier sehr verkürzt und die Faszien verklebt.“ Umso öfter sollte man dieser Region deshalb ein Faszientraining gönnen
  • Auf der anderen Seite wiederholen: linken Fuß auf das rechte Knie legen, zur linken Gesäßhälfte drehen, rollen
  • nach 60 Sekunden die Position lösen, die Rolle in den unteren Rücken legen und vorsichtig zunächst einen kleinen Bereich bearbeiten
  • auf die Unterarme stützen und in Richtung Schultergürtel rollen
  • wem das relativ leicht fällt, der kann die Hände jetzt auch hinter den Kopf legen – sobald es zu anstrengend wird, die Unterarme wieder auf die Matte legen

Hier seht Ihr die Übung noch einmal im Video:

 

Markus Rossmann ist Faszientrainer (Fascial Fitness Senior Master Trainer), Certified Rolfer und Begründer der Fascial Walk Methode – dabei geht es darum, auch beim Gehen und Laufen die Faszien zu aktivieren und geschmeidig zu halten. Außerdem hat er die DVD „Blackroll Faszientraining“ herausgebracht.

Ihr erreicht Markus Rossmann über seine Website: www.concept-rossmann.com

Habt Ihr noch Fragen zum Faszientraining? Was sind Eure Erfahrungen mit der Blackroll? Wir freuen uns auf Eure Kommentare!

Herzlichen Dank an Katja Töpfer fürs Filmen!

 

4 Kommentare

  1. Hallo Nadja,
    Faszien sind sooo wichtig und ich finde es prima, dass du mit Markus einen Experten zu Rate gezogen hast, der wirklich gute und elementare Übungen für jeden von uns ausgesucht hat und erklärt.
    Eine Ergänzung hätte ich noch zur Vorbeuge: wenn man in die Vorbeuge startet, sollte man vorbereitend seinen gesamten Oberkörper dreidimensional „aufspannen“, sich also von Innen ganz groß machen. Erst dann gehts vornüber, dabei die ganze Übung durchweg darauf achten, dass der „fascial belt“, ein imaginärer Breiter Gürtel um unsere Körpermitte (an anderer Stelle wird er auch Core genannt) fest ist. Dieser facial belt trägt dann auch die Wirbelsäule, so dass das Beugen kein Problem darstellt, wie Markus es ja auch bereits erwähnt hat.

  2. Vielen Dank für deinen Artikel. Ich litt selber jahrelang unter chronischen Rückenschmerzen. Faszientraining hat mir damals enorm geholfen, meinen Körper wieder in die Balance zu bringen und meine verklebten, schmerzhaften Faszien und Triggerpunkte wieder zu lösen. Eine Übung, die ich besonders hilfreich fand, war auch der ‚Cat-Body-Stretch‘, bei dem man seine Handflächen auf eine Tischkante ablegt, Rücken und Beine gerade, während die Hüfte im rechten Winkel gebeugt ist und abwechselnd die Knie beugt. Man erhält dabei eine tolle Dehnung der Bein- und Oberkörperrückseite. Alles liebe.

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